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ARCHITECTURAL DESIGN | Masterthesis | 5. Bauabschnitt der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig

Zwei konkurrierende Raumsysteme
Die Bibliothek ist der Ort, der wie kein zweiter den heutigen Mangel im Umgang mit digitalen und analogen Medien offenlegt. Das Medium Buch unterliegt einem enormen Wandel, weg vom Alleinstellungsmerkmal eines Wissensspeichers und somit eines Vermittlers von Wissen, von Kultur und von Gesellschaft hin zu einem Konkurrenzobjekt, welches in einen Streit mit den neuen digitalen Wissensspeichern geraten ist. Durch diese neuen Möglichkeiten der Wissensaneignungen und Vermittlung wandelt sich die Bedeutung des Buches und somit ihre räumliche Repräsentanz radikal. Das Alleinstellungsmerkmal der analogen Speicher (mit diesem Begriff sind hier architektonisch konkrete Orte wie Bibliotheke, Archive etc. gemeint) gegenüber allen digitalen Speichern ist ihre reale Räumlichkeit, diese ist wiederum auch ihr größtes Problem in einer sich immer mehr digitalisierenden Welt. Das physisch Reale, als Buch wie als Bibliothek, hat aber den einen entscheidenden Vorteil, es ist physisch greifbar und somit kann es möglich sein an einem solchen Ort das Digitale zu integrieren. Wohingegen es nicht möglich ist, nach dem heutigem Verständnis des Digitalen, im digitalen Virtuellen das physische Reale zu integrieren. Die logische Fragestellung hieraus muss lauten:
Kann eine Architektur in der Lage sein, diese Konkurrenzsituation aufzulösen?
Kann es einen realen architektonischen Raum geben, der dem digitalen und dem analogen Medium gleichwertig gerecht wird?
Sollte sich die Bibliothek dann nicht von einem Ort der reinen Aufbewahrung hin zu einem Ort der Produktion verwandeln, wo ich jederzeit aus dem Digitalen ein Analoges und aus dem Analogen ein Digitales hergestellt werden kann?
Um diese Frage überhaupt mit architektonischem Vokabular beantworten zu können, bedarf es zu allererst eine Definition des Vokabulars. Die heutigen Räume und Strategien geben da eine nur sehr unbefriedigende Antwort.

Das Analoge und das Digitale als Widerspruch
Um zu einer neuen Definition von architektonischen Räumen als Wissensspeicher und -vermittler zu gelangen, sollte im ersten Schritt die Inhalte dieser Architekturen, nämlich die Medien selber, untersucht werden. Wo liegen die jeweiligen Vor- und Nachteile der beiden Erscheinungsformen? Wie funktionieren die unterschiedlichen Nutzungsstrukturen? Und kann eine Auflösung des "Entweder-oder" funktionieren und somit zu einer neuen Raumsystematik gefunden werden?
Im Vergleich des Digitalen und des Analogen, sei es als Buch, in der Fotografie, in der Zeichnung, oder sonst einem Medium, stellt sich immer die Frage des Besitzes und der Dinghaftigkeit. Außerdem geht heutzutage mit der vereinfachten Möglichkeit der Reproduzierbarkeit des Digitalen auch ein scheinbarerer Wertverlust einher. Oder ist der analoge Herstellungsprozess, der technisch bedingt ein Unikat produziert nicht der eigentliche Mangel?
Das enorme Potential unserer heutigen Zeit ist das (noch) gleichwertige Auftreten beider Zustände. Wir sind in der Lage die analoge Technik gleichwertig mit der Digitalen zu kombinieren. Dieses Untersuchungsfeld lässt sich besonders gut im architektonischen Medium der Zeichnung und des Modells untersuchen. Diese beiden Formen durchziehen den gesamten kreativen Prozess des Entwerfens, von der ersten Skizze vor Ort bis hin zur "fertigen" Architektur. So gesehen sind sie die ersten Repräsentanzen der (architektonischen) Idee! Woraus sich die Frage ergibt, ab wann eine Architektur "real" ist? Wird der Gedanke, die architektonische Idee, nicht bereits durch die Zeichnung real? Und wo ziehen wir die Grenze zwischen der Zeichnung und dem Realen? ?Die analoge Skizze ist da vielleicht noch einfacher der Idee zu zuordnen, wie sieht es aber mit den neuen Möglichkeiten der Darstellung des virtuellen dreidimensionalen Raumes aus. Ist er noch Skizze oder schon Realität? Müssen wir dann nicht zwangsläufig zu neuen Darstellungstechniken gelangen, die den alten Weg der Grundriss/ Schnitt- Darstellung verlassen?
Die spannende Frage wird sein, in wieweit können diese neuen Prozesse die zu entwerfenden Architekturen beeinflussen und zu neuen Antworten führen?

Der Ort
Leipzig, Standort der Deutschen Nationalbibliothek. Sie hat sich zur Aufgabe gemacht, "lückenlos alle deutschen und deutschsprachigen Publikationen ab 1913, im Ausland erscheinende Germanica und Übersetzungen deutschsprachiger Werke sowie die zwischen 1933 und 1945 erschienenen Werke deutschsprachiger Emigranten zu sammeln, dauerhaft zu archivieren, bibliografisch zu verzeichnen sowie der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen."
Genau hier liegt, bedingt durch die momentane Lage der Deutschen Nationalbibliothek innerhalb der Stadt, ihr Widerspruch. Sie befindet sich südlich der innerstädtischen Infrastruktur und ist somit kaum präsent.?Hieraus leiten sich schon zwei wesentliche Anforderungen an den neuen Ort ab. Zum einen muss er innerstädtisch angebunden sein und zum anderen genügend Fläche zur Verfügung stellen können um die Entwicklung neuer Raumtypologien erproben zu können.
Diese Anforderungen finden sich auf der letzten großen innerstädtischen Brachfläche Leipzig wieder - dem Wilhelm-Leuschner-Platz. Der Platz ist zudem Teil aktueller kontroverser politischer und gesellschaftlicher Diskussionen über seine zukünftige Ausformulierung.
Der neu entstehende Ort steht somit in starkem Wechsel mit den bereits gebauten Räumen und Archiven der Deutschen Nationalbibliothek, aber auch mit den anderen Institutionen Leipzig, denn in unmittelbarer Nähe befinden sich die Leipziger Stadtbücherei, die Universitätsbibliothek Leipzig, die Hochschule für Grafik und Buchdruck (HGB), sowie die Leipziger Verlags- und Druckerei GmbH.
Martin Franck

Directed by: Prof. Matthias Karch with Philipp Reinfeld and Prof. Dr. Martin Peschken
Student work by: Martin Franck

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